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Grüner Stahl vom Saarland – Hoffnungsträger oder Investitionsruine?

Dillingen/Völklingen – Die Zukunft der Stahlindustrie soll in „grünem Stahl“ liegen. Dillinger Hütte / Saarstahl haben ihre Absicht verkündet, mit öffentlichen Fördermitteln die Produktion in Dillingen und Völklingen umzustellen. Ist dies die Rettung für den Stahlstandort Saarland? Wir haben hierzu mit Dr. Christoph Canne, Pressesprecher und Mitglied des volkswirtschaftlichen Bereichs der Bundesinitiative VERNUNFTKRAFT e.V. www.vernunftkraft.de gesprochen.

Herr Dr. Canne. Können Sie unseren Lesern erklären, was man eigentlich unter grünem Stahl versteht?
Die Herstellung von Stahl erfolgt im traditionellen Hochofenprozess mit Hilfe von Eisenerz und Kokskohle, woraus Roheisen und Kohlendioxid (CO2) entsteht. Grüne Verfahren zielen darauf ab, weniger bis kein CO2 zu erzeugen. Dies wird in Dillingen dadurch geschehen, dass man die Kokskohle durch Erdgas oder Wasserstoff ersetzt. Aus Erdgas entsteht weniger CO2 als durch Kokskohle, aus Wasserstoff entsteht überhaupt kein CO2 mehr. Das Unternehmen spart so die CO2 Kosten, dafür entstehen andere Kosten.

Welche Kosten sehen Sie hier?
Sie haben zuerst die Investitionskosten, die diese Umstellung bedingt. Hier wurde eine Summe von 4,6 Mrd. € genannt, von denen 2,6 Mrd. der Bund und das Land übernimmt. Insgesamt sind 7 Mrd. € an Subventionen in ganz Deutschland geplant. Sehr problematisch sind aber die hohen Herstellungskosten von grünem Stahl. Nach Unternehmensangaben werden diese Anlagen den Strombedarf des Saarlandes verdoppeln. Wie diese gewaltigen Strommengen kostengünstig produziert werden sollen, ist mehr als unklar. DHS-Chef Rauber hat gefordert, dass diese dem Unternehmen zu einem Preis von 4 ct/kWh zur Verfügung gestellt werden sollen, aktuell bezahle DHS 12 ct/kWh für seinen Strom. Ein drittes Problem besteht darin, dass langfristig die Anlagen mit grünem Wasserstoff laufen sollen – es kann aber niemand sagen, wo die hierfür benötigten Mengen zu akzeptablen Preisen herkommen sollen.

Ok. Also vor allem zwei Problembereiche: Strom und Wasserstoff. Wie könnte man denn das Stromproblem angehen? Wer könnte denn den benötigten Strom liefern?
Hier kann man einmal rechnen: Eine Verdopplung des Strombedarfs des Saarlands entspricht ungefähr acht zusätzlichen Milliarden Kilowattstunden im Jahr. Das ist keine vernachlässigbare Menge. Die Energiestrategie der jetzigen wie auch der wahrscheinlich neuen Bundesregierung setzt darauf, dass wir auch künftig Wind- und Solarstrom weiter kräftig ausbauen. 8 Mrd. kWh sind jedoch ungefähr 800 Windindustrieanlagen der neuesten Bauart – man möge sich einmal vorstellen, wo man diese im Saarland hinstellen will. Zusätzlich haben diese das Grundproblem, dass sie nicht verlässlich Strom liefern. Sie brauchen also zusätzlich ungefähr drei Gaskraftwerke allein für die saarländische Stahlindustrie, die in Windflauten einspringen. Dies alles wird Stromkosten nach sich ziehen, die weit über 10 ct/kWh liegen werden. Es wird also darauf ankommen, dass der Staat die Stromkosten auf Steuerzahlerkosten senkt. Eine Perspektive auf günstigere Stromkosten ist kaum zu sehen – die Stromkosten werden auf Sicht der nächsten 10 Jahre eher zunehmen, wofür die hohen Netzkosten verantwortlich sind, die durch den Ausbau der sog. Erneuerbaren auf uns zukommen. Wir werden es hier also mit einem dauerhaften Subventionsbedarf zu tun haben.

Und bei Wasserstoff sehen Sie auch ein Beschaffungsproblem?
Ja, leider. Wir mussten in den letzten 2 Jahren beobachten, dass die hochfliegenden Hoffnungen auf grünen Wasserstoff verflogen sind und uns stattdessen ständig Meldungen über abgesagte Projekte erreichen. Ein wichtiger Rückschlag war dabei die im November eingetretene Insolvenz des „Vorzeigeunternehmens“ HH2E, welches zuvor versprach, grünen Wasserstoff in großer Menge für industrielle Abnehmer herzustellen. Eine alternative Strategie von Herrn Habeck bestand darin, aus Erdgas gewonnenen Wasserstoff aus Norwegen zu beziehen. Diese wurde jedoch von Seiten Norwegens wegen erheblicher Zweifel an der wirtschaftlichen Tragfähigkeit abgesagt. Grüner Wasserstoff ist deshalb zurzeit am Markt etwa fünf- bis sechsmal so teuer wie Erdgas und Prognosen gehen davon aus, dass wir auch im Jahr 2030 bei dem dreifachen Preis liegen werden. Ein Einsatz von Wasserstoff ist also wirtschaftlich nicht tragfähig.

Bundeskanzler Scholz hat zuletzt gegenüber der Presse angedeutet, dass er sich auch vorstellen könnte, dass französische Kernkraftwerke den Strom liefern, den man zur Herstellung von Wasserstoff für die Stahlindustrie benötigt….
Ja, über diesen Vorschlag habe ich auch nicht schlecht gestaunt. Ausgerechnet die Bundesregierung, die die letzten deutschen Kernkraftwerke abgeschaltet hat, bringt nun in der Not die Anlagen unserer Nachbarn ins Spiel. Und hierbei muss man ja bedenken, dass wir durch die Abschaltung unserer KKW ohnehin von französischen Stromimporten abhängig geworden sind – wir haben im Jahr 2024 eine Rekordmenge von 13 Mrd. kWh netto importieren müssen.  Diese Mengen immer weiter zu erhöhen, sei es für den Strombedarf oder für die Produktion von Wasserstoff, kann man zwar anstreben, aber man muss auch mal fragen, ob unsere Nachbarn dies auch wollen. Präsident Macron hat vor kurzem angekündigt, dass er das französische Stromangebot stärker dazu nutzen will, Frankreich zu einem Zentrum der künstlichen Intelligenz machen – für deren Rechenzentren werden große Strommengen benötigt. Letztlich hat Frankreich eben auch eigene Interessen. Wir könnten aber immer noch die zuletzt abgeschalteten Kernkraftwerke ans Netz zurückholen – Neckarwestheim 2 hat ca. 11 Mrd. kWh pro Jahr geliefert – CO2-neutral, verlässlich und vor allem günstig. Mit diesen Anlagen hätte man den Preisbereich von 4 bis 6 ct/kWh erreichen können. Leider habe ich wenig Widerstand von der energieintensiven Industrie gegen die Abschaltung dieser Anlagen vernommen – nach Subventionen zu rufen ist wohl einfacher.

Was ist dann aus Ihrer Sicht zusammenfassend die Perspektive für die Erzeugung von grünem Stahl an der Saar?
Es wird ein Produkt hergestellt, das auf absehbare Zeit nicht marktfähig sein wird. Der derzeitige Weg besteht darin, dass der Staat die Kosten mit Subventionen drückt – für diese ist derzeit aber keine zeitliche Begrenzung in Sicht. Eine weitere Scheinlösung besteht in der Idee „grüner Leitmärkte“, die auch im Sondierungspapier der derzeitigen Koalitionsverhandlungen auftaucht: Stahlabnehmer, also bspw. die Automobilindustrie, sollen gezwungen werden, bestimmte Quoten an grünem Stahl zu kaufen. Dies wird deren Kosten nach oben treiben und somit den Abwanderungsdruck der deutschen Industrie weiter erhöhen. In Summe wird dies also die wirtschaftlichen Probleme unseres Landes weiter erhöhen – und der Staat wird sich nicht auf Dauer immer weiter verschulden können. Diese Rechnung wird irgendwann bezahlt werden müssen.

Herr Dr. Canne, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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