Götterdämmerung beim FCS: Wenn alte Millionen gehen – kommen neue

Saarbrücken – Wir befinden uns im Herbst 2025 und der 1. FC Saarbrücken steht wieder einmal auf seinem „Lieblingsplatz“ – vier. Ein Rang, der vieles symbolisiert, was den Traditionsverein in den letzten Jahren geprägt hat: gut – aber nicht gut genug. Und so könnte der kommende Samstag entscheidender werden als jedes Ligaspiel.

Denn bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung (am kommenden Samstag, 11. Oktober 2025 um 15:30 in der Saarlandhalle Saarbrücken) – initiiert durch die FCS-Fangruppierung Förderverein Virage Est e. V. mit über 90 Fanclubs im Rücken – wird über nichts Geringeres als die Zukunft des Vereins abgestimmt. Die zentrale Frage: Bekommt der Klub endlich eine professionelle Vereinsstruktur mit hauptamtlichen Vorständen?

Pikant: Parallel dazu arbeitet die aktuelle Vereinsführung an einem eigenen Projekt – der Ausgliederung der Profiabteilung in eine Kapitalgesellschaft (GmbH & Co. KGaA). Die Fans hingegen wollen aber weiter an der Vereinsstruktur (e. V.) festhalten.

Die Sorge um das Geld – und die Machtfrage dahinter
Die dringendste Frage im Vorfeld lautet: Was passiert, wenn Hauptsponsor Victor’s geht? Viele Mitglieder befürchten, dass der Verein in ein finanzielles Loch fällt, sollte sich Präsident und Mäzen Hartmut Ostermann nach einer möglichen Abstimmungsniederlage zurückziehen.

Tatsächlich ist Victor’s bisweilen das finanzielle Rückgrat des FCS. Laut Aufsichtsratschef Aron Zimmer beträgt das Engagement des Konzerns rund 5,4 Millionen Euro jährlich – bei insgesamt neun Millionen Euro Sponsoringvolumen. Damit trägt Victor’s mehr als die Hälfte der Erlöse: 4,8 Millionen Euro stammen direkt von der Hotelgruppe, weitere 600.000 Euro von der zur Unternehmensgruppe gehörenden Zeitschrift Forum.

Doch es gibt Feinheiten, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft untergehen: Victor’s erhält eine vertraglich vereinbarte Beteiligung aus früheren Jahren – zur Absicherung alter Darlehen – von 15 Prozent auf alle Sponsoringerlöse, die nicht aus eigener Hand stammen, also etwa 540.000 Euro jährlich. Zudem hat die Unternehmensgruppe Sachleistungen und Personal bereitgestellt, im Wert von rund 500.000 Euro, die von der Gesamtsumme abgezogen werden.

Der tatsächliche Netto-Sponsoringwert von Victor’s liegt damit bei rund 4,4 Millionen Euro. Dennoch ist klar: Kein einzelner Sponsor wird diese Summe kurzfristig ersetzen können. Doch ist ein Rückzug gleichbedeutend mit dem finanziellen Absturz? Viele Experten bezweifeln das.

FCS-Präsident und Hauptsponsor Hartmut Ostermann (Archivbild)

Andere Vereine zeigen: Es geht auch ohne Mäzen
Denn ein Blick auf Fußball-Deutschland zeigt, dass es auch anders geht. Die weitaus meisten der 56 Vereine in den ersten drei Profiligen wirtschaften ohne Abhängigkeit von einem einzelnen Großsponsor vom Kaliber Victor’s. Hier gehören Wechsel beim Hauptsponsor zu den üblichen Herausforderungen – und kaum ein Club ist danach in ein „schwarzes Loch“ gefallen.

Im Gegenteil: Viele Vereine erzielen nach einem Trikotpartnerwechsel höhere Einnahmen – durch klare Strukturen und professionelle Vermarktung. In modernen Clubs gilt Sponsoring längst als die wichtigste Abteilung hinter dem sportlichen Bereich.

Auch der FCS bietet dafür beste Voraussetzungen: Strahlkraft als Landeshauptstadt-Verein, ein modernes Stadion, eine treue Fanszene und ein starkes Einzugsgebiet mit großer Universität.

So mancher Drittligist erzielt allein für seine Trikotbrust inklusive Rücken Einnahmen jenseits der Millionengrenze. Wenn der FCS also künftig einen Trikotsponsor für rund 1,5 Millionen Euro findet (und die gibt es), bliebe noch eine Finanzierungslücke („Gap“) von etwa 2,9 Millionen Euro.

Die Saar-Landeshauptstadt Saarbrücken ist attraktiv für Sponsoren (Archiv)

Doch es gibt weitere potenzielle Erlösquellen: Im Victor’s-Paket sind noch andere Rechte enthalten wie eine große Loge im Ludwigsparkstadion in zentraler Lage auf Höhe der Mittellinie (Wert 150.000 Euro), 60 Business-Seats im gehobenen Gold-Bereich à 6.000 Euro (Gesamt 360.000 Euro), zwei Stadionbanner auf den sogenannten „Kuhweiden“ (100.000 Euro), die Werbung auf dem Mannschaftsbus (100.000 Euro) sowie das exklusive Logorecht bei den besonderen Pressekonferenzen (100.000 Euro).

Zusammen ergibt dieses Paket einen Wert von rund 800.000 Euro. Vermarktet der Club diese Rechte separat, bleiben aus den bisherigen Victor’s-Rechten noch 1,55 Millionen Euro.

Neue Sponsoren in Wartestellung
Nach Informationen unserer Redaktion sollen sich bereits mindestens vier bekannte saarländische Unternehmen grundsätzlich vorstellen können, mit größeren Paketen beim FCS einzusteigen – sofern die Strukturen – wie von „Zukunft Blau-Schwarz“ vorgeschlagen – modernisiert werden. Zusammen könnten diese Sponsoren etwa eine Million Euro beitragen. Damit schrumpft das „Victor’s“-Defizit auf rund 550.000 Euro.

Spannend dabei: Der „Ausgliederungs-Sonderbeauftragte“ des Vereins, Rüdiger Ziehl, wurde vom Präsidium losgeschickt, um ebenfalls mögliche Investoren für eine neue Kapitalgesellschaft zu gewinnen – eine Aufgabe, für die er selbst kaum brennt. Nicht ohne Grund hat Ziehl mehrfach in TV-Kameras philosophiert, dass er lieber am Spielfeldrand steht als im Büro verhandelt. Entsprechend soll seine Mission, neue Geldgeber zu überzeugen, dem Vernehmen nach nur mäßig erfolgreich verlaufen.

Will lieber wieder an die Seitenlinie zurück: Rüdiger Ziehl

Freie Flächen, ungenutzte Millionen
Auch von einem „komplett ausvermarkteten Verein“, wie Schatzmeister Dieter Weller stets betont, kann laut unseren Recherchen keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Liste ungenutzter Werbe- und Sponsoringmöglichkeiten ist lang – und lukrativ:

  • 50 unverkaufte Plätze im Gold-Bereich des Businessclubs: 300.000 Euro

  • Freie Werbezeit auf LED-Banden (stattdessen läuft Eigenwerbung): 150.000 Euro auf der TV-Bande, 30.000 Euro auf der Regio-LED (vorne an den Ecken), 100.000 Euro auf der Bande zwischen Unter- und Oberrang

  • Unverkaufte Werberechte laut offizieller FCS-Preisliste:

    • Mittelkreisplane: 26.000 €

    • Spielertunnel-Beklebung: 13.000 €

    • 3D-Cam-Carpets (neben den Toren): 80.000 €

    • Beklebung von Auswechsel- und Trainerbänken: 40.000 €

    • Softreiter im TV-Bereich Gegengerade (sogenannte „Minibande“): 22.000 €

Diese Posten ergeben bereits ein ungenutztes Potenzial von rund 760.000 Euro jährlich.

Kennt Schatzmeister Dieter Weller (rechts im Bild) seine eigenen Werbemöglichkeiten nicht? – Archivbild

Neue Ideen bringen zusätzliche Potenziale
Hinzu kommen zusätzliche, kreative Ansätze: Eine zweite LED-TV-Bandenreihe an der Betonbrüstung der Gegentribüne – bei fast allen Profivereinen Standard – könnte rund 540.000 Euro einbringen. Eine sogenannte TV-Off-VIP-Bande, also eine LED-Reihe, die in Richtung VIP- und Haupttribüne ausgerichtet ist und speziell für B2B-Werbung genutzt wird, könnte weitere 250.000 Euro generieren.

Insgesamt ergibt sich damit ein realistisches, derzeit brachliegendes Vermarktungspotenzial von rund 1,55 Millionen Euro pro Saison. Rein rechnerisch wäre das Victor’s-Engagement damit vollständig kompensierbar – mehr noch: Bei professioneller Vermarktung und konsequenter Umsetzung verbliebe sogar ein Überschuss von bis zu einer Million Euro gegenüber dem Status quo.

Eine Summe, die bislang ungenutzt blieb – aus struktureller Bequemlichkeit. Denn intensiv akquiriert wurde nie. Kein Wunder: Dem FCS fehlt es an erfahrenen Vermarktungsprofis, die solche Potenziale heben könnten. Umso bemerkenswerter ist, dass genau dieser Betrag das zentrale Argument für die geplante Ausgliederung, also die vermeintliche finanzielle Notwendigkeit – deutlich entkräftet.

Neue Wege – neue Möglichkeiten – neue Perspektiven?
Die Befürworter einer Neuausrichtung sehen darin die große Chance, den Verein aus seiner strukturellen Abhängigkeit zu befreien. Ein hauptamtlicher Vorstand für Marketing und Vertrieb muss ein professionelles Team formen, das den Blick weitet – weg vom regionalen Klein-Klein, hin zu einer nationalen Vermarktungsstrategie. Statt im Saarland immer wieder die gleichen Unternehmen anzusprechen und jeden Stein dreimal umzudrehen, gilt es, den FCS als attraktive Marke im gesamten Bundesgebiet zu positionieren.

Branchen wie Automobil, Telekommunikation, Sportwetten oder Handel investieren jährlich Millionenbeträge in Sportsponsoring – doch solche Partnerschaften entstehen nicht von selbst. Sie brauchen gezielte Ansprache, belastbare Netzwerke, maßgeschneiderte Angebote und dauerhafte Präsenz auf Messen, Branchenevents und in Entscheiderkreisen. Eine LED-Bande mit einer Kontaktadresse, wie derzeit praktiziert, reicht längst nicht mehr – gefragt sind Strategie, Leidenschaft und der Mut, über die Landesgrenzen hinauszudenken. Große Chancen für eine bundesweite Vermarktung hat der Club in der Vergangenheit leider allzuoft ungenutzt verstreichen lassen – etwa nach den viel beachteten Pokalsensationen, als die Blauschwarzen Schlagzeilen bis in internationale Medien wie die New York Times machten.

Diese Schlagzeilen hingegen schreibt gerade der Nachbar aus Elversberg. Daher drängt die Zeit: Sollte die „Elv“ tatsächlich den Sprung in die Erste Bundesliga schaffen, während der FCS in der 3. Liga verharrt, dürfte das nationale Interesse von Sponsoren – im Übrigen auch von potenziellen Investoren einer möglichen Ausgliederung – unweigerlich in Richtung SVE wandern. Ein Szenario, das den Druck auf die Blauschwarzen zusätzlich erhöht. Eine im Herbst 2026 geplante Ausgliederung (wie das Präsidium am Dienstag angekündigt hat) dürfte demnach bereits zu spät sein.

Sollten die internen Ressourcen dafür zunächst fehlen, könnte der Verein auch auf die Unterstützung großer Vermarktungsagenturen wie Sportfive oder Infront setzen, die Erfahrung in der Akquise nationaler Großsponsoren mitbringen.

Große Clubs wie Borussia Dortmund oder Bayer Leverkusen arbeiten seit Jahren sehr erfolgreich mit solchen Agenturen zusammen. Dabei sind sogenannte Signing Fees – also Einmalzahlungen bei Vertragsunterzeichnung – keine Seltenheit und können helfen, kurzfristige, selbst größere Finanzierungslücken zu schließen.

Die FCS-Fans sehen ihre Zukunft Blau-Schwarz – aber als unabhängiger Verein

Eine Ausgliederung gefährdet die Unabhängigkeit
Einige FCS-Funktionäre wollen stattdessen lieber den Weg über eine Ausgliederung gehen. Doch in diesem Fall wächst auch die Sorge vieler Mitglieder – denn eine Kapitalgesellschaft zieht Investoren an. Und Investoren bringen Einfluss mit sich – zumal es sich vorausschauend um alte Bekannte handeln könnte.

Ein Anteilseigner, der über 25 Prozent (vielleicht sogar 49 Prozent) der Anteile hält (z. B. Victor’s), verfügt über eine sogenannte Sperrminorität – und kann damit zentrale Entscheidungen zu Satzungsänderungen, Finanzstrategien oder größeren Investitionen blockieren. Selbst dann, wenn der Verein selbst 50+1 Prozent Anteile behält.

Zwar schreibt die DFL klar vor, dass Investoren keinen Einfluss auf sportliche Entscheidungen (Trainer, Aufstellung, Transfers) nehmen dürfen, doch bei wirtschaftlichen und strukturellen Fragen wäre ihr Wort gewichtig.

Für viele Fans bleibt das ein schmaler Grat – zwischen finanzieller Stabilität und dem Verlust der eigenen Vereinsidentität. Zwar begründet das Präsidium um Hartmut Ostermann und Dieter Weller die geplante Ausgliederung mit der angeblichen finanziellen Notwendigkeit, um im Aufstiegsrennen konkurrenzfähig zu bleiben. Doch ein genauer Blick zeigt: Die eigenen Vermarktungspotenziale des Vereins sind längst nicht ausgeschöpft. Jeder durch Investoren eingebrachte Euro kann zudem nur einmal ausgegeben werden – und wird er falsch eingesetzt, sind nicht nur die Mittel, sondern auch die letzten Zukunftschancen des Vereins verspielt. Dann bliebe nur noch die Kapitalerhöhung, die kleinere Investoren schwächt und größere weiter stärkt. Ein solcher Schritt will also nicht nur kalkuliert, sondern mit Weitsicht und Verantwortung bedacht sein.

Die große Frage: Würde Ostermann wirklich gehen?
Bleibt die entscheidende Unbekannte: Zieht sich Victor’s tatsächlich zurück, falls der Förderverein Virage Est am Samstag eine Dreiviertelmehrheit erzielt?

Kaum jemand im Umfeld des Vereins glaubt das wirklich. Zu groß ist die emotionale und historische Verbindung zwischen Hartmut Ostermann und „seinem“ FCS. Nach Jahrzehnten als Präsident, Hauptsponsor und Geldgeber ein derartiges Lebenswerk in einer Nacht fallen zu lassen – das wäre ein Bruch, der kaum zu seinem bisherigen Wirken passt.

Fazit
Der 1. FC Saarbrücken steht vor seiner vielleicht größten Richtungsentscheidung seit Jahrzehnten. Die Frage, ob der Verein künftig professionell geführt oder weiterhin im Ehrenamt verwaltet wird, ob er sich aus der Abhängigkeit von Victor’s löst oder ihr treu bleibt – all das wird über die Zukunft des Traditionsklubs bestimmen.

Eines ist klar: Es ginge auch ohne Victor’s – aber nur mit Struktur, Mut und harter Arbeit. Am Samstag wird sich zeigen, ob der FCS bereit ist, diesen Weg zu gehen. JETZT den neuen Blaulichtreport Saarland WhatsApp-Kanal abonnieren und IMMER DIREKT auf dem Laufenden bleiben (hier klicken)

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